DAS BARRIEREFREIHEITSSTÄRKUNGSGESETZ (BFSG) - Betrifft mich das?

… was für ein sperriger Name – so etwas kann mich doch gar nicht betreffen – oder doch ???

Barrierefreiheit ist schon seit einiger Zeit in aller Munde – und das gilt natürlich nicht nur für Türen an Zügen, für Bordsteine oder unüberwindbare Treppen.

Die Idee – um was es geht:

Eine inklusive Gesellschaft, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen, ist unser Ziel – in Deutschland und darüber hinaus. Ein wichtiger Schritt dorthin ist die Barrierefreiheit. Soweit es um Produkte und Dienstleistungen geht, fördert das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) die gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Einschränkungen und älteren Menschen. Mit dem BFSG wird die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 über die „Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“ (European Accessibility Act, kurz: EAA) umgesetzt. Durch einheitliche EU-Anforderungen soll das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auch kleinen und mittleren Unternehmen helfen, die Möglichkeiten des europäischen Binnenmarktes auszuschöpfen.

Bislang müssen alle, die in der Europäischen Union etwas produzieren, verkaufen oder Dienstleistungen anbieten, nicht nur ganz unterschiedliche Anforderungen für Barrierefreiheit beachten, teilweise widersprechen sich die Anforderungen sogar. Klare und einheitliche Standards sollen deshalb den Binnenmarkt stärken und zu einer größeren Verfügbarkeit auch preisgünstiger barrierefreier Produkte und Dienstleistungen beitragen. So dürfte sich auch die Konkurrenzfähigkeit deutscher Produkte erhöhen.  (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

Barrierefreiheit gilt damit nicht nur für Produkte und Dienstleistungen - auch Dokumente, Veröffentlichungen, Grafiken, Nachrichten, Verträge und Social-Media sowie Homepages sind davon betroffen – also alles das, was als Text, Grafik, Video, Ton oder auf andere Art und Weise veröffentlicht wird, denn … geschriebene Informationen können genauso ihre Hürden haben – also den Zugang für bestimmte Nutzergruppen schwierig gestalten oder sogar verhindern.

 

Betrifft mich das – die Zielgruppe:

  • Hardwaresystem für Universalrechner für Verbraucher incl. Betriebssysteme (z. B. Computer)
  • Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Geldautomaten oder Check-In-Automaten
  • Verbraucherendgeräte, die für Telekommunikationsdienste gebraucht werden (z.B. Mobiltelefone)
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang (z.B. interaktive Fernseher)
  • E-Book-Lesegeräte
  • Telekommunikationsdienste (Telefonie, Messenger etc.)
  • Elemente der Personenbeförderungsdienste wie beispielsweise Webseiten, Apps oder elektronische Ticketdienste.
  • Bankdienstleistungen
  • E-Book-Software
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern (z.B. E-Commerce, Online-Termin-Buchungs-Tools). Dazu gehören auch Webshops und Apps.

Sind Sie Hersteller, Einführer oder bieten diese Produkte über einen Shop an – dann gehören Sie zur Zielgruppe.

Ausnahme gibt es für Kleinstunternehmen:

Shop-Betreiber, die als Kleinstunternehmen gelten, müssen die Barrierefreiheitsanforderungen in ihren Online-Shops für die Shops selbst nicht erfüllen.Sofern über den Shop aber eines oder mehrere vom BFSG ausdrücklich erfassten Produkte angeboten werden, müssen diese selbst physisch/technisch/bedienungsbezogen barrierefrei sein.

Wann ist ein Produkt oder eine Leistung barrierefrei?

Dienstleistungen und Produkte sind nach dem Gesetz dann barrierefrei, wenn sie

  • für Menschen mit Behinderung
  • in der allgemein üblichen Weise,
  • ohne besondere Erschwernis und
  • grundsätzlich ohne fremde Hilfe
  • auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Die Hürden, die Barrieren:

Barrieren gibt es viele – einige sein hier beispielhaft genannt:

  • zu kleine Schrift
  • Fremdwörter/Fachbegriffe, die Sie nicht kennen
  • unverständliche Grafiken
  • Links, die nicht funktionieren
  • Farbunterschiede, die Sie nicht erkennen können (Rot-Grün-Sehschwäche)
  • Schlechter Kontrast (gelbe Schrift auf weißem Hintergrund)
  • Text-Bild-Zuordnung
  • uneindeutige oder unverständliche Abkürzungen
  • u. a. (sicher fällt Ihnen dazu auch noch vieles ein)

Die Anforderung an ein Produkt oder eine Dienstleistung:

Die Nutzung des Produktes

Wer ein Produkt nutzen will, für welches das Gesetz gilt - beispielsweise ein Mobiltelefon, soll keinerlei Probleme haben, das Mobiltelefon zu bedienen. 

Dazu sollten:

  • die Infos in mehr als einem sensorischem Kanal zur Verfügung stehen. Das heißt beispielsweise, dass schriftliche Infos auch vorgelesen werden.
  • die Infos Personen mit eingeschränkter Sehkraft verständlich sind. Dies betrifft vor allem die Größe der Schriften sowie die Kontraste.

 

Die Informationen über ein Produkt

Infos zu einem vom Gesetz betroffenen Produkt - beispielsweise Mobiltelefon, PC oder Selbstbedienungsterminal müssen:

  • ebenfalls in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen. Also beispielsweise um eine Vorlesefunktion ergänzt werden,
  • auffindbar, gut wahrnehmbar und lesbar sein. (Schriftgröße, Kontraste u. a.)
  • um eine Beschreibung der Benutzerschnittstellen wie Handhabung usw. ergänzt werden.

 

Die Verpackungen und die Anleitungen

Auch für Produktverpackungen und Anleitungen gilt,

  • dass die Infos in mehr als einem sensorischem Kanal zur Verfügung stehen.
  • dass die Infos auch für sehbehinderte Personen verständlich sind. (Schriftgröße, Kontraste etc.)

 

Die Benutzerschnittstelle und die Funktionalität von Produkten

  • Die gesamte Kommunikation, Bedienung, Steuerung und Orientierung müssen über mehr als einen sensorischen Kanal möglich sein. Also beispielsweise Vorlesen zusätzlich zu Schrift.
  • Visuelle Elemente müssen in Größe, Helligkeit und Kontrast eingestellt werden können (Sehschwäche).
  • Alternative Farben müssen zur Verfügung stehen (Farbsehschwäche).
  • Bei Akustik muss die Lautstärke anpassbar sein (Schwerhörigkeit).
  • Manuelle Steuerung muss auch mit wenig ausgeprägten feinmotorischen Fähigkeiten möglich sein (Beweglichkeitseinschränkungen).

 

Die Anforderungen an Selbstbedienungsterminals

  • Sprachausgabe muss möglich sein.
  • Benutzung mit Einzel-Kopfhörern muss möglich sein.
  • Tasten und Bedienungselemente müssen kontrastreich sein und auch taktil erkennbar sein.

 

Die Anforderungen an E-Book-Lesegeräte

  • Auch E-Books brauchen eine Sprachausgabe

 

Die Anforderungen an Dienstleistungen

Bei Dienstleistungen, also z.B. Online-Shops, werden erhöhte Informationspflichten gestellt. Sie müssen beispielsweise:

  • in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen, also neben Schrift zum Beispiel Vorlesefunktion
  • sie müssen auffindbar sein
  • die Texte müssen gut lesbar sein. Dies betrifft Schriftgröße und Kontrast.
  • Die Informationen müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.

Betrifft mich das – die Antwort:

Zugegeben, der Bereich der Technischen Dokumentation ist nicht unbedingt das elementarste Ziel des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes. Da aber die Technische Dokumentation für sich in Anspruch nimmt, verständlich zu sein, sollten die Barrieren für eine bestimmte Zielgruppe überprüft und eliminiert/verringert werden.

Sehen wir dazu einmal in die Verordnung zum Gesetz (das muss jetzt sein ... 😉). In §4 BFSGV und §5 BFSGV steht dazu folgendes:

  1. Informationen zur Nutzung des Produkts auf dem Produkt selbst, wie die Kennzeichnungen, die Gebrauchsanleitung und die Warnhinweise müssen
    1. über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden,
    2. in verständlicher Weise dargestellt werden,
    3. den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt werden, die sie wahrnehmen können und
    4. in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden.
  2. Informationen zu den Barrierefreiheitsfunktionen des Produkts, deren Aktivierung und deren Interoperabilität mit unterstützenden Technologien sowie Informationen zur Nutzung des Produkts, die nicht auf dem Produkt selbst angegeben sind, sondern bei der Nutzung des Produkts oder auf anderem Wege, beispielsweise über eine Webseite, bereitgestellt werden, sind bei Inverkehrbringen des Produkts öffentlich verfügbar zu machen und müssen
    1. über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden,
    2. für den Verbraucher auffindbar sein,
    3. in verständlicher Weise dargestellt werden,
    4. den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt werden, die sie wahrnehmen können,
    5. in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbaren Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden,
    6. hinsichtlich ihres Inhalts in Textformaten zur Verfügung gestellt werden, die sich zum Generieren alternative unterstützende Formate eignen, die in unterschiedlicher Art dargestellt werden und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können,
    7. mit einer alternativen Darstellung des Inhalts angeboten werden, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind,

Die Verpackungen und Anleitungen der Produkte, mit Ausnahme von Selbstbedienungsterminals müssen folgende Anforderungen erfüllen:

  1. die Informationen zur Produktverpackung, wie etwa zum Öffnen, zum Schließen, zur Verwendung oder zur Entsorgung, und, sofern bereitgestellt, die Informationen über die Barrierefreiheitsmerkmale des Produkts, müssen die Anforderungen des BFSGV erfüllen, wobei all diese Informationen auf der Verpackung angebracht werden müssen, soweit dies aufgrund der Größe oder der Art der Verpackung möglich ist und
  2. die Anleitungen zur Installation und Wartung, Lagerung und Entsorgung, die nicht auf dem Produkt selbst angebracht sind, sondern auf anderem Wege, beispielsweise über eine Webseite, bereitgestellt werden, müssen bei Inverkehrbringen des Produkts öffentlich zugänglich sein und folgenden Anforderungen genügen:
    1. sie werden über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt,
    2. sie sind für den Verbraucher auffindbar,
    3. sie werden in verständlicher Weise dargestellt,
    4. sie werden den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt, die sie wahrnehmen können,
    5. sie werden in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbaren Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt,
    6. der Inhalt der Anleitungen wird in Textformaten zur Verfügung gestellt, die sich zum Generieren alternativer unterstützender Formate durch den Verbraucher eignen, die auf unterschiedliche Art dargestellt und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können und
    7. es wird eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind.

….. uuuuups – alles verstanden … naja … noch einmal kurz:

  • Informationen zum Produkt müssen über mehr als einen sensorischen Kanal bereit gestellt werden (Text – Ton)
  • Informationen müssen gut und verständlich wahrgenommen werden (Zielgruppe)
  • Die Navigation und die Menüführung müssen einfach gestaltet sein (Bedienbarkeit/Funktionalität)

Ein ganz anderes Thema:

Sehen wir uns in diesem Zusammenhang einmal die Maschinenrichtlinie und die Maschinenverordnung an.  Hier ermöglichen die Anpassung der Maschinenrichtlinie und die Inhalte der Maschinenverordnung hinsichtlich elektronischer – und damit auch papierloser Dokumentation ganz neue Wege. Zugegeben – Papier ist hinsichtlich der Barrierefreiheit ein etwas „beschränktes“ Medium. 

Da sehen sie Möglichkeiten der elektronisch präsentierten Informationen  schon ganz anders aus – Möglichkeiten die auf diese spezielle Zielgruppe hin gut angepasst werden können. Größere oder dynamisch vergrößerbare Schrift, gesprochene Texte oder auch erklärte Begriffe und Abkürzungen sind hier problemlos umzusetzen.

Und was ist mit dem CE-Zeichen?

Wie – das CE-Zeichen – das hat doch eher mit der Maschinenrichtlinie/-verordnung zu tun – vielleicht noch mit der Niederspannungsrichtlinie – aber Barrierefreiheit – warum denn das?

Nun, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die zugehörende Verordnung (BFSGV) sind die Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/882 über die „Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“. Diese Richtline nennt zwei aus der Maschinerichtline/-verordnung recht bekannte Punkte. In § 18 die „EU-Konformitätserklärung für Produkte“ und in §19 die „CE-Kennzeichnung“. Sollten Sie, Ihre Produkt oder Ihre Dienstleistung unter das BFSG fallen, muss die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 in die Konformitätsbewertung mit aufgenommen werden und in der Konformitätserklärung genannt werden. Mit dem Anbringen des CE-Zeichen verdeutlichen Sie auch, dass Sie die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 hinsichtlich der Barrierefreiheit eingehalten haben.

Ab wann gilt denn nun die ganze Sache:

Obwohl die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 schon einige Jahre veröffentlicht ist, trägt das BFSG das Datum vom 16. Juli 2021 – wurde also recht schnell umgesetzt. Dann war erst einmal Ruhe und es passierte wenig. Es sollte aber viel passiert sein, das das BFSG am 28. Juni 2025 in Kraft getreten ist. Von ein paar unwesentlichen Ausnahmen abgesehen müssten also alle betroffenen Dienstleistungen oder Produkte inzwischen barrierefrei sein – sind sie das auch ?? – das müssen Sie entscheiden.

Unterstützung benötigt – gerne!

Texte, Grafiken, Videos, Animationen …. das können wir sehr gut. Auch in Sachen Gesetze, Normen und Richtlinien sind wir ganz gut aufgestellt und haben uns schon einmal durch die Gesetze und Richtlinien gewühlt. Wenn Sie nun wissen möchten, ob Ihre Publikationen barrierefrei sind – fragen Sie uns einfach. Wir prüfen Ihre Produktinformationen gerne auf Barrierefreiheit und sagen Ihnen, an welchen Stellschrauben Sie noch drehen müssen – oder ob alles passt.

Abgesehen von allen Gesetzen und Richtlinien oder Verordnungen wollen Sie doch auch, dass Ihre Produkte oder Dienstleistungen für alle Personengruppen zugänglich sind – auch für Menschen mit Behinderung.

Dinkelsbühl, 24.07.2025
Gerhard Lierheimer

Erstellt unter Verwendung folgender Quellen:

  • Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
  • Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
  • EU-Richtlinie (EU) 2019/882 über die „Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“
  • IHK Düsseldorf „Neue Regelungen zur Barrierefreiheit für Unternehmen ab Juni 2025“
  • Knappschaft Bahn See „Rechtliche Vorgaben für öffentliche Stellen des Bundes“